Der Attentäter von Villach radikalisierte sich laut Behörden binnen kürzester Zeit auf TikTok. Dass das chinesische soziale Netzwerk islamistische Inhalte duldet, wissen wir schon länger. Bei anderen Inhalten dagegen versteht TikTok keinen Spaß. Mit vorbildlicher Gründlichkeit schützt die Videoplattform ihre User vor gefährlichen Inhalten – wie etwa Tom Turbo.
Immer wieder sperrt TikTok brandgefährliche Tagespresse-Berichte. Zum Beispiel unsere Reportage über eine Waldorf-Fahrschule, wo sich jeder seine Verkehrsregeln selbst zusammenschustern darf, auch mal gegen die Einbahn brausen kann, wenn er sich danach fühlt.
TikTok löschte das Video umgehend wegen „Aufruf zu einer gefährlichen Handlung“. Vielleicht wäre es besser gewesen, das Auto in einen Weihnachtsmarkt rasen zu lassen, dann hätte TikTok das Video vielleicht sogar noch gepusht.
Warum wir überhaupt noch auf TikTok sind?
Womöglich ist es eine Mischung aus Masochismus und dem Wunsch, mit einem Video zu „explodieren“ und drei Millionen Teens zwischen Eisenstadt und Rostock für 1,3 Sekunden unterhalten zu dürfen, bevor sie weiterscrollen.
Vielleicht ist es aber auch die Hoffnung, dass junge Menschen neben AfD-Hetze, FPÖ-Lügen und IS-Propaganda zumindest einmal gänzlich harmlose Fake News zu Gesicht bekommen
Und so wollten wir unsere TikTok-Follower vor einigen Tagen mit einem Video über die neue KI „Tom Turbo“ beglücken, die die USA und China in Panik versetzt, mit Fähigkeiten wie dem „Turbo-Treppen-Trick“ oder dem „Turbo-Hypnose-Trick“.
Als wir dieses Video am 5. Februar 2025 auf TikTok hochladen, dauert es nur wenige Stunden, bis die chinesische Plattform das Video sperrt.
Woran lag es diesmal? Ist das Foto von Xi Jinping, das im Video erscheint, zu unvorteilhaft? Schreit Tom Turbo zu selten „Allahu Akhbar“? Hätten wir ihm als Trick 88 die „Rekrutierungspfeife für junge Neonazis“ geben sollen? Hat der Küniglberg eine Copyright-Verletzung gepetzt? (Anm.: eher unrealistisch, das ORF-Internet „Teletext“ hat keinen Zugriff auf TikTok).
TikTok nennt uns den offiziellen Grund: „Betrug und Schwindel“. Betrug und Schwindel? Ist uns da in unserer Recherche ein Fehler unterlaufen? Hat unsere zehnköpfige Fact-Check-Redaktion ein Detail übersehen? Hat Thomas Brezina dreist gelogen und Fahrräder können in Wahrheit gar nicht sprechen?
Das Fahrrad mit den 111 Anschlagsplänen
TikToks Interpretation von Moderation mündet also darin, ein Video über ein sprechendes Detektivfahrrad zu sperren und gleichzeitig radikale Inhalte ungehindert florieren zu lassen.
Während ein Charakter aus einer Kinderserie als Bedrohung wahrgenommen wird, können islamistische Hassprediger und rechtsextreme Hetzer ohne Eingreifen der Plattform ihre Botschaften verbreiten. TikTok sieht in Brezinas sprechendem Drahtesel eine größere Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden als tatsächliche Extremisten, die auch weiterhin bemüht versuchen werden, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben.
Wir hoffen jedenfalls, dass unser Tom-Turbo-Video niemanden radikalisiert und dazu animiert, mit einem gelben Fahrrad in eine Menschenmenge zu rasen, sich die Lippen auf Schlauchboot-Größe aufzuspritzen oder mit dem Turbo-Schneidstrahl Ungläubige zu töten. Falls doch, werden wir uns bei TikTok selbstverständlich für unseren großen Betrug und Schwindel entschuldigen!
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Das sagt eigentlich eh alles: radikalisieren, abzocken, zum Verzehr von Waschmitteltabs animieren, das ist alles ok. Aber Satire? Nein!
Könnt ihr das toppen, liebe Redaktion?
Geniales Posting!!