Eine 83-jährige Vorarlbergerin muss nach ihrer Augen-OP zwei Jahre lang auf einen Kontrolltermin warten. Woran krankt das Gesundheitssystem? Eine Recherche.
Es beginnt an einem ganz normalen Vormittag. Ein Tagespresse-Redakteur sitzt im Wartezimmer seiner Hausärztin und scrollt durch das Internet. 87 aufgerufene Patienten und fünf Stunden später stolpert er auf Reddit über eine Geschichte, die seinen Blutdruck steigen lässt:
Einer 83-jährigen Vorarlbergerin geht es offenbar noch schlechter. Die Frau muss zwei Jahre auf einen Arzttermin warten. Wie kann das sein, in einem Bundesland, in dem nur circa 100 Menschen wohnen?
Unser journalistischer Instinkt sagt uns, dass man diese Story prüfen sollte. Was nämlich kaum jemand weiß: Nicht alles, das auf Reddit steht, stimmt. Storys wie „Faymann hat die Matura mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden“ oder „Fotobeweis: Herbert Kickl ist 1,90 Meter groß“ sind bis heute umstritten.
MA 2412 trifft Passierschein A 38
Wir gehen der Wahrheit auf den Grund, nehmen Kontakt mit der Verfasserin des Postings auf, schreiben, telefonieren, fragen bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und Ärztekammer nach. Ein Redakteur verlässt sogar extra den Schengenraum und reist einen Tag nach Vorarlberg.
Einige Telefonate und Mails später kommen wir zum Schluss: Die Geschichte ist noch haarsträubender als gedacht. Kurzfassung: MA 2412 trifft auf den Passierschein A 38.
Die Verfasserin des Reddit-Postings entpuppt sich als die Enkelin der Betroffenen. Im Frühjahr 2022 bemerkt ihre Großmutter, dass sie immer schlechter sieht. Die Familie bemüht sich bei zwei Kassenärzten im Ländle um einen Termin, schließlich sind sie ja versichert.
Schnell bemerken sie: Einen Termin bei einem Kassenarzt in Vorarlberg zu bekommen ist schwieriger, als jemanden zu finden, der Deutsch spricht. “Wir sind voll” (Anm.: Übersetzung der Redaktion), heißt es jedes Mal am Telefon. Die Familie beschließt, Geld in die Hand zu nehmen und sich – wie in Österreich mittlerweile üblich – der Zwei-Klassen-Medizin zu bedienen. Ein Wahlarzt stellt schließlich für läppische 180 Euro die Diagnose „Grauer Star“, eine OP ist unausweichlich. Das war im Frühjahr 2023.
Ein Jahr später steht der Kontrolltermin beim Wahlarzt an, beim Kassenarzt will man es gar nicht mehr versuchen. Doch just eine Woche vor dem Termin stürzt die 83-Jährige und erleidet einen Knochenbruch. Die Familie ruft beim Wahlarzt für eine Verschiebung an.
„Wir können Ihnen einen Termin im Juni 2026 anbieten“, heißt es am Telefon von der Assistentin. Die Enkelin hört das Gespräch aus dem Nebenzimmer mit und glaubt kurz, sie hat sich verhört. “Juni 2026? Das ist doch absurd! Die Assistentin korrigiert sich: „Halt Moment, ich kann Ihnen doch einen früheren Termin anbieten. Wir wäre der Mai 2026?“ (Anm.: Dieses Gespräch haben wir nicht erfunden, es ist wirklich so passiert).
Die Zustände erinnern mittlerweile an das originale ‚Spitalo Fatalo‘ der EAV (nicht die neuere, entschärfte Version)
https://www.youtube.com/watch?v=-UrM1d7hQS4
(Und der alten Dame dass sie einen früheren Termin bekommt..)