Nimmt die woke österreichische Titel-Geilheit gar kein Ende? Der Wiener IT-Techniker Georg Schneider besteht im zwischenmenschlichen Umgang darauf, mit den korrekten Pronomen angesprochen zu werden. Statt he / him identifiziert er sich für Österreich typisch als dipl / ing. Und das, obwohl er eigentlich nur einen Hauptschulabschluss hat.
WIEN – „Herr Schneider?“, hallt es durch das Wartezimmer der Arztpraxis. Die Augenlider von Schneider beginnen zu zucken. Schon wieder wurde der IT-Techniker aus Simmering als „Herr“ bezeichnet, obwohl er sich eindeutig als „Dipl. Ing.“ fühlt, wie an seiner Cordhose und der Extrawurstsemmel in seiner Hand ersichtlich ist.
Situationen wie diese sind trauriger Alltag für den gebürtigen Wiener: denn viele Mitmenschen respektieren seine Identität nicht. „Sie nehmen einfach meinen Bildungsstand an, ohne nachzufragen. Wie respektlos.“
Kein Verständnis
Schneider hat kein Verständnis für Menschen, die ihn mistiteln. Seine Pronomen hätte er für jedermann sichtbar in seine Instagram Bio und auch per Sticker auf seinen VW Passat geschrieben. Trotzdem begegnet der Wiener immer wieder rücksichtslosen Mitmenschen, die ihn und seine Identität nicht respektieren. „Letzte Woche hat mich die Kassiererin beim Spar als dahergelaufenen einfachen Ingenieur betitelt, ein Affront gegen mich und die gesamte BaMagDrProf+ Community!“
Was Schneider jedoch ablehnt, sind Pronomen ohne Titel. „Mit diesem Woke-Wahnsinn von den Jungen kannst mich davon jagen. He? She? They?“, schüttelt der Techniker den Kopf. „Diese faschistischen genderwahnsinnigen Sprachvorschriften lehne ich ab, das verstümmelt nur die Sprache und macht sie unverständlich, dazu gibt es eine spannende Studie von Univ.Prof. DDr. MMMag.iur.eco.soc. Dkfm. Henrik Neumayer.“
Doch der Wiener weiß, auch in der Titel-Community gibt es schwarze Schafe. Radikale Titelextremisten auf Twitter würden etwa die Anerkennung ihrer Adelstitel wie Erzherzog, Kurfürst oder Pfalzgräfin fordern. Das gehe vielen in der Bevölkerung allerdings zu weit und sorge für weniger Akzeptanz gegenüber anderen Titelträgern. „Von diesen Spinnern mit ihrem blauen Blut und ihren Fantasiepronomen distanziere ich mich natürlich!“
Schwierig für Umfeld
Auf der Universität war Schneider nie. Irgendwann, mit zwölf, hatte er dann sein Coming-out. „Ich habe meinen Eltern erklärt, ich will nicht für die Mathe Schularbeit lernen, ich identifiziere mich fortan als Diplomingenieur. Leider konnten sie es lange nicht akzeptieren. Sie meinten, das geht nicht, wenn man die Hauptschule abbricht.“ Es sind klassische Vorurteile wie diese, mit denen Schneider täglich konfrontiert ist.
Zuhause bei seiner Familie wird der Simmeringer so akzeptiert, wie er ist. „Klar, ab und zu schaut meine Frau schief, wenn ich beim Winnetou-Buch vorne noch ein Dr. Winnetou dazuschreibe. Aber ich will halt, dass meine Kinder mit österreichischen Werten aufwachsen und von früh auf vermittelt kriegen: Das Geschlecht und die Hautfarbe sind egal, alles, was zählt, ist der Titel.“
Österreich als Vorreiter
Auch auf offiziellen Formularen, am Meldezettel und im Reisepass sollen Österreicher:innen bald die Möglichkeit bekommen, aus 46 verschiedenen Titel-Pronomen auswählen zu können. „Wir haben da jetzt dann Männlich, Weiblich, Divers, aber auch dipl / ing oder hof / rat. Oder für die, die es wirklich schwer im Leben haben, weil sie nirgends dazu gehören und keine Lobby haben, auch ein mag / fh“, freut sich Sachbearbeiterin Anna Schnöll vom Magistrat Margareten.
Die BaMagDrProf+ Community wirbt im Zuge dessen für mehr Akzeptanz von individuellen Titelidentitäten. Für Juni ist eine Titel-Parade durch ganz Wien unter dem Motto „So viel Zeit muss sein!“ geplant. Die Organisatoren rechnen mit tausenden Besuchern aus ganz Europa. Sogar selbsternannte Grafen oder Kurfürsten aus den Bundesländern werden erwartet.
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