Das „Sinnlose Volksbegehren“ wird zur Staatsaffäre, Innenminister Gerhard Karner macht unsere VfGH-Beschwerde zur Sektionschef-Sache. Der Leiter der Sektion Recht wurde mit der sinnvollsten Aufgabe seiner Beamten-Laufbahn betraut: Auf elf Seiten durfte er im Namen des Ministers dem VfGH erklären, wieso das „Sinnlose Volksbegehren“ in den Schredder gehört – der Höhepunkt einer jeden Beamtenkarriere. Kann das Innenministerium den Volkswillen stoppen?
Was bisher geschah: Im Frühling 2023 stellten wir das „Sinnlose Volksbegehren“ auf die Beine, sammelten 12.347 Unterschriften und erhielten vom BMI nach höflicher Vorab-Korrespondenz sogar ein amtliches Lob – die zweite Version unserer Bankbestätigung mit dem Zauberwort „kollektiv, je gemeinsam“ sei tadellos.
Nur landete beim Ausdrucken versehentlich wieder die erste, unpräzise Fassung im Kuvert – ein Fehlgriff mit Folgen: Der Minister schickte den gesamten Antrag samt 12.000 Stimmen in den Schredder und erklärte, ein Verbesserungsauftrag sei bei der galoppierenden Drei-Wochen-Frist schlicht unzumutbar.
Es folgten ein Umweg zum Verwaltungsgericht, 13 Monate Stillstand, und schließlich eine Abfuhr – denn das Gesetz gewährt dem BMI, genau das zu tun, was es gerade will. Und das habe es ja getan, also was genau ist jetzt das Problem?
Jetzt liegt die Causa beim Verfassungsgerichtshof.
Game Over?
Mit Ehrfurcht und Demut lesen wir die Stellungnahme, die das Innenministerium nun beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hat. Der Sektionschef trägt mehr akademische Titel im Namen als die gesamte Redaktion der Tagespresse kollektiv, je gemeinsam. Heißt das für uns „Game over“?
In der Stellungnahme erinnert das Ministerium den Verfassungsgerichtshof eingangs, dass der österreichische Beamtenapparat nur zwei Aggregatzustände kennt: „Streng nach Wortlaut“ oder „gar nicht“. Man habe sich an das Legalitätsprinzip zu halten – Vurschrift is Vurschrift. Und weil das Gesetz dem BMI freie Hand lässt, kann es folglich keinen Grund für unsere Beschwerde geben.
Wir lernen ein neues Wort: „Manuduktionspflicht“, die Pflicht der Behörden, Bürgerinnen und Bürger bei Rechtswegen zu helfen. Dieser Pflicht komme das Innenministerium gerne nach, betont man im Schriftsatz mehrfach – aber nur solange, bis der Bürger einen Fehler macht. Und dass ein Bürger einen Fehler macht, ist eigentlich undenkbar.
Der Sektionschef hält fest, der Gesetzgeber habe bei Volksbegehren „ganz bewusst“ auf jedes Verbesserungsverfahren verzichtet. Dass die Bundesländer genau solch einen Service längst routinemäßig anbieten (siehe § 10 Wiener Volksbegehrensgesetz), fällt anscheinend unter föderale Quantenmechanik: Bürgernähe existiert nur, solange niemand aus dem Innenministerium hinschaut – Schrödingers Bürgernähe.
Innovative Gleichbehandlung
Das BMI feiert den Pride Month mit einer ganz eigenen Auslegung von Gleichbehandlung. Würde man Mängel beheben lassen, würden Menschen in Wien „bevorteilt“, weil sie schneller persönlich vorbeikommen könnten, argumentiert der Sektionschef.
Der Postweg könne „mitunter mehrere Tage“ dauern, warnt das BMI; daher müsse man jeden, der etwa aus Vorarlberg anreist, vor unfairen Vorteilen schützen.
Die Verwaltung löst das Problem, indem sie einfach niemandem hilft. Gleichbehandlung heißt im Innenministerium: Alle werden gleich schlecht behandelt. Mehr Fairness geht nicht. Unterlassene Hilfeleistung für die Gerechtigkeit – genial!
BMI droht Albtraum
Jetzt ist der Verfassungsgerichtshof am Zug. Nicht nur wir, sondern auch das Innenministerium sitzen auf Nadeln. Entscheiden die Richterinnen und Richter in unserem Sinne, droht dem Ressort die absolute Katastrophe: ein Verbesserungsauftrag und eine Briefmarke. Das wäre ein tiefschwarzer Tag für das tiefschwarze Ministerium.
Entscheidet der VfGH gegen uns, freut sich der BMI-Schredder auf 12.347 Wählerstimmen, die ordnungsgemäß als Altpapier recycelt werden, wer weiß, vielleicht erleben sie ja ein zweites Leben als Heute-Zeitung.
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