Nicht mehr als zwei Arbeitsstunden benötigte die Redaktion der Tagespresse, um eine komplette politische Kampagne für einen Präsidentschaftswahlkampf aus dem Boden zu stampfen. Einige hohle Phrasen und eine billige Homepage reichen heutzutage aus, um eine glaubwürdige politische Bewegung entstehen zu lassen. Kostenpunkt: 500 Euro. Ist unsere Politik wirklich nur mehr so wenig wert?
Schritt 1: Was letzte Preis für Partei-Domain?
In Österreich wimmelt es nur so vor Domains von Parteileichen. Doch mit wem sollten wir den politischen Neustart wagen? Der Liste Hans Peter Martin? Zu wirr. Dem BZÖ? Zu tot. Wir fassten das Team Stronach ins Auge, dessen Homepage-Domain um 500 Euro verramscht wurde. 3, 2, 1, meins!
Schritt 2: WordPress-Seite erstellen
Können Sie in Microsoft Word Ihren Lebenslauf erstellen? Dann haben wir schlechte Nachrichten: Für den Kampagnenleiter sind Sie leider überqualifiziert. Denn dafür müssen Sie nur in einem WordPress-Template bunte Boxen erstellen und leere Sprüche schreiben können. Für ein paar Euro ist man da heute dabei, der Homepage-Programmierer von Karl-Heinz Grasser dreht sich da wohl im Grabe um…
Schritt 3: Parteiprogramm konzipieren
Jede Kampagne braucht Inhalt. Oder zumindest viel heiße Luft, verkleidet als Inhalt. „Erneuerung“, „Zukunft“, „Wirtschaft“, „Werte“. Passt, klingt geil, rauf auf die Homepage und raus damit! Wir hatten an diesem Tag schließlich noch Wichtigeres zu tun, als eine Kampagne für das wichtigste Amt des Landes zu gestalten, wie zum Beispiel ein redaktionsinternes Tischtennisturnier.
Schritt 4: Das richtige Personal finden
Politik lebt von Personen! Wir preschen vor und verkünden bereits die Unterstützung durch „einen Ex-Minister, einen Ex-Fußballprofi und mehrere Nationalratsabgeordnete“. Dass wir noch keine Zusagen haben, ist zu dem Zeitpunkt egal. Strache, Polster, Lugar und Höbart melden sich sicher bald von selbst.
Schritt 5: Viele bunte Farben und geile Schriftarten
Politik im Jahr 2021 funktioniert nur durch Inszenierung. Niemand kann sich der Macht der Bilder entziehen. Mehr als fünf Minuten widmeten wir uns nebenbei im Büro der richtigen Auswahl, markierten Wörter fett, tüftelten über dem richtigen Grünton für die Homepage. Denn Grün ist die Zukunft! Eine grüne Kampagne bringt locker 10% Wähler mehr.
Schritt 6: Beim Frühstücksbier schnell ein AVISO-E-Mail an die Medien ausschicken
Der schwierigste Schritt: Man muss mehrere dutzend Mal hintereinander auf „Senden“ klicken. Ein Horror! Pure Knochenarbeit. Unser Redakteur erlitt einen Muskelfaserriss am Zeigefinger. Wir zweifeln kurz, ob politische Arbeit wirklich das Richtige für uns ist…
Letzter Schritt: Abwarten
Im Angesicht gähnender Inhaltsleere ist es für die Medien mittlerweile sehr schwer, Realität und Fiktion zu unterscheiden. Unser Telefon läutet im Sekundentakt, auf Nachfragen, ob der Antritt wirklich ernst gemeint sei, tun wir das, was jeder echte Politiker machen würde – Lügen. „Ja, sicher, morgen PK im Café Landtmann, Tisch auf Frankie ist reserviert, Lachsbrötchen für Journalisten stehen bereit.“
Wir wünschen Frank Stronach viel Glück, seinen wirklichen, ernst gemeinten Antritt in einigen Monaten glaubhaft aussehen zu lassen.
PS: Sehr geehrter Herr Niki Fellner – wir haben schlechte Nachrichten. Das Exklusiv-Interview mit Herrn Stronach auf oe24.tv wird leider nicht stattfinden. Wir bedanken uns dennoch für die Live-Schaltung auf oe24.tv (der Fairness halber: Sie hatten da schon einen Verdacht) und schicken Ihnen kollegiale Grüße!
Ein weiterer Klassiker…