Am 6. September 2024 lässt der Satire-Konzern „Die Tagespresse“ in ganz Wien tausende „Heisl“-Hefte verteilen, die der renommierten Investigativplattform „Heute“ nachempfunden sind. Das ehrwürdige Medienhaus wird als Fäkalschrift übelst verunglimpft. Hunderte Anwälte wetzen bereits bedrohlich die Kugelschreiber. Ein juristisches Duell der Mediengiganten kündigt sich an.
Immer wieder wird in der Tagespresse-Redaktion der Posteingang aktualisiert, doch es passiert: nichts. Nicht einmal eine einstweilige Verfügung. Zumindest ein abgetrennter Pferdekopf vor der Bürotür? Fehlanzeige!
Der Zorn der Heute richtet sich nicht gegen die übermächtige Die Tagespresse Satireproduktion und Lügenfabrikation Holding AG, sondern – ganz in Boulevardmanier – gegen einen Schwächeren.
Die Gratiszeitung kann uns anscheinend nicht klagen, da ihre Anwälte bereits damit beschäftigt sind, einem Pensionisten die Existenz zu zerstören.
Was ist passiert?
Am 8. August 2024 stößt der Wiener Pensionist Günther R. auf einen Tweet. Darin beschwert sich ein User über den höchstseriösen Journalismus der „Heute“, die einfach nur ihrer publizistischen Pflicht nachkommt und sich im Wahlkampf zum unkritischen FPÖ-Sprachrohr macht: die Mindestsicherung, so zitiert das Investigativmedium den Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp, sei nichts anderes als „Schutzgeld, damit Asylanten nicht die Stadt zerlegen“. Qualitätsjournalismus, an dem es eigentlich nichts auszusetzen gibt.
Günther R. lässt sich zu unbedachten Kommentaren auf X hinreißen. Er bezeichnet „Heute“ in einer Antwort als „Scheißblatt“, Chefredakteur Clemens Oistric als Schoßhündchen, namentlich als „Rattler, welcher Frau Dichand brav apportiert“ und Eva Dichand als „Rachehex“. Keine feine Klinge. Aber Kommentare, die normalerweise an erfolgreichen Medienmachern und Konzernen abprallen sollten.
Doch der Pensionist wird geklagt. Da schürt die Heute monatelang Hass, und dann klagt man einen Leser, nur weil der Hass auf fruchtbaren Boden trifft? Sollte R. alle Klagen verlieren, drohen ihm Zahlungen von etwa 20.000 Euro und der finanzielle Ruin.
Das perfekte Opfer
Günther R. ist das perfekte Opfer für Heute, ein Blitzableiter der Aggressionen, der all das abbekommt, was sich das Scheißblatt mit der Schoßhündchen-Redaktion gegen die Tagespresse wohl nicht getraut hat. Und das Profil des Senioren, dessen Antwort-Tweet gerade mal 183 Leute erreicht, sieht nicht danach aus, als hätte er die notwendigen Ressourcen, sich gegen eine SLAPP-Klage zu wehren. Das perfekte Opfer.
SLAPP, das steht für „Strategic Lawsuits against Public Participation“. Es wirkt, R. wird wohl sobald nicht mehr Scheißblatt zum Scheißblatt sagen…
Die „Heute“ fährt schwere Geschütze gegen den leichten Gegner auf: Sie bringt nicht ein, nicht zwei, sondern gleich drei Klagen gegen Günther R. ein:
- Die erste Klage stammt von Chefredakteur Clemens Oistric. Er will den ungeheuerlichen Vorwurf, ein „Apportierhündchen“ seiner Vorgesetzten Eva Dichand zu sein, nicht auf sich sitzen lassen, und apportiert den Tweet brav zu Eva Dichands Anwalt, der sofort Klage einreicht und Oistric mit einem Leckerli belohnt.
- Die zweite Klage stammt vom AHVV-Verlag, dem die „Heute“-Zeitung gehört. Der Konzern fühlt sich nämlich beleidigt.
Gegen diese beiden Klagen will Günther R. aus finanziellen Gründen nicht ankämpfen und lässt ein Versäumnisurteil ergehen (ein Urteil ohne Verhandlung, Anm.). Er muss Widerrufe veröffentlichen und 2.500 Euro pro Klage an gegnerischen Kosten zahlen.
Doch einem Pensionisten ein paar tausend Euro abzunehmen, das reicht der Millionärin Dichand noch lange nicht. Um ein Exempel zu statuieren, braucht es auch ein bisschen Strafrecht.
- Bei der dritten Klage handelt es sich um eine strafrechtliche Privatklage von Eva Dichand im Namen des AHVV-Verlags wegen § 115 StGB: Beleidigung. Ein Delikt, das mit bis zu drei Monaten Haft geahndet werden kann.
(Nicht klagen will Dichand gegen die Bezeichnung als „Rachehex“ – Dichands Anwalt lässt das durchgehen.)
Für die Familie von R. sind die Klagen der nächste Schock in einer schwierigen Zeit. Denn nur wenige Wochen zuvor ist der 37-jährige Sohn von Günther R. plötzlich und unerwartet verstorben. Die von „Heute“ angestoßene „Debatte“ über Sozialhilfe hat Günther R. aufgewühlt, da sein Sohn aus gesundheitlichen Gründen immer wieder selbst auf Sozialleistungen angewiesen war.
Sein anderer Sohn Paul wendet sich direkt an Clemens Oistric. Er bittet in einer privaten Nachricht um Milde und erklärt die Situation rund um seinen verstorbenen Bruder, wird jedoch ignoriert. Auch auf Vergleichsangebote gehen Dichand, Oistric und der AHVV-Verlag nicht ein. Sie wollen das durchkämpfen und die Sache für Günther R. offenbar möglichst teuer werden lassen.
Ein kurzer Blick in das Internet zeigt: Das österreichische Internet zwischen X und Standard-Forum ist voll von Menschen, die „Heute“ als Scheißblatt bezeichnen.
Wieso wurde ausgerechnet Günther R. geklagt, und nicht die Tagespresse oder andere User mit mehr Reichweite? Ist die Bezeichnung „Scheiße“ nicht einfach nur subjektive Meinungsäußerung? Wieso ist eine Zeitung, die tagtäglich Asylwerber und Klimakleber beleidigt, selbst so schnell beleidigt?
Eva Dichand und Clemens Oistric wollten sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Vielleicht machen sie das am 7. November, dem ersten Verhandlungstermin.
Die Tagespresse Satireproduktion und Lügenfabrikation Holding AG startet ein Crowdfunding für Günther R. Wir wollen 20.000 EUR sammeln, um die zu erwartenden Rechtskosten zu decken. Sollte R. im strafrechtlichen Verfahren freigesprochen werden, wird er die übrige Summe an SOS Mitmensch spenden.
***UPDATE*** Spendenziel erreicht! Wir bedanken uns im Namen von Günther R. bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern
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Oder wie ein rechtsextremer Influencer oder Poster sagen würde: Wir machen uns gerade für das Netz warm. 😉😅
Aber deshalb muss ein armer Pensionist doch nicht gleich auf eine Fahndungsliste und auch keins aufs Hosentürl bekommen, diese Mumie.😉
Ein Depp könnte meinen, dass man jetzt auf ihn urinieren kann.😉
Einfach (einen) Rosenkranz bete
Die kaputte Politiklandschaft Österreichs ist ein Ergebnis von kaputten Medien. Es wird höchste Zeit, daß die Presseförderung reformiert wird und auf Kritierien wie Seriosität und Qualität abzielt. Es darf nicht sein, daß die tiefsten Boulevardblätter das meiste Geld vom Staat bekommen.
Finde keine Quellen
https://www.derstandard.at/story/3000000242718/scheissblatt-heute-verlag-dichand-und-oistric-klagen-pensionisten