Ein vorzeitiges Weihnachtswunder begab sich heute in Wien. Ein 43-jähriger Mann kehrte nach acht Jahren völlig überraschend nach Hause zurück. Seine Familie hielt ihn bereits für tot. Dabei befand er sich nur in der Schlange vor einem Postamt, um ein Buch abzuholen, das er einen Tag früher als im Buchhandel bekommen wollte.
WIEN – „Papa?“, stammelt der 12-jährige Lukas, der seinen verwahrlosten Vater Hannes nicht wiedererkennt. Verwirrt stellt der ausgemergelte Wiener ein geöffnetes Amazon-Paket mit dem Buch „Jede Sekunde zählt – Zeitmanagement für Profis“ auf den Küchentisch.
Seine Frau Elena weint: „Es tut mir so leid, aber ich dachte, du kommst nicht mehr zurück.“ Sie zeigt peinlich berührt auf einen riesigen Polster auf der Couch, der inzwischen Hannes‘ Rolle in der Familie eingenommen hat.
Lokalaugenschein
Wie konnte es soweit kommen? Ein Lokalaugenschein in der Filiale am Westbahnhof zeigt: Das Post-Management gibt alles, das Problem sind offenbar die arbeitsscheuen Mitarbeiter. „Los, mein Sklave, wir sind erst bei Arbeitsstunde 11, schwächelst jetzt?“, lacht Georg Pölzl, Post-CEO und „Österreichs Jeff Bezos“ (NÖN). Er lässt seine Peitsche knallen. Der einzige Mitarbeiter der Filiale wuchtet einen 70-Zoll-Fernseher auf den Schalter.
„Wir konnten mit diesem Ansturm nicht rechnen“, rechtfertigt Pölzl die Wartezeiten. „Als Manager weiß ich: Am freien Markt darf man niemals aus vergangenen Entwicklungen auf die Zukunft schließen. Woher hätten wir denn bitte wissen sollen, dass Weihnachten heuer wieder stattfindet?“
Chaos
Am Postamt herrschen inzwischen Chaos und Anarchie. „Geht des ned a bissl schneller? I brauch dringend a Brieflos“, schreit eine Kundin. „Geh, trag mir den Fernseher schnell zum Auto, ganz lieb“, fordert ein anderer Kunde und zückt fünf Cent Trinkgeld. Der Mitarbeiter lächelt, drückt sich die Münze als neue Bandscheibe in die Wirbelsäule und trägt den Smart TV auf den Parkplatz.
Traumatische Zeit
Derweil erholt sich Hannes von den Strapazen: „Als ich die Schlange im Dezember 2012 sah, dachte ich zuerst, ah, ich hab ein Glück, das dauert bestimmt nur wenige Tage.“ Doch aus Tagen wurden Wochen. „Den ‚Wilson‘ musste ich leider zurücklassen.“ Traurig zeigt uns Hannes ein Foto seines gelben Zettels, auf den er 2018 ein lustiges Gesicht gemalt hat
Immer mehr Filialschließungen durch das Management ließen den Zustrom an das Postamt rapide ansteigen. „Und im Februar dieses Jahres dann der Schock: Ich hab ur arg schiffen müssen, sieben Jahre hab ich es zurück gehalten, aber es ging nimmer, ich bin schnell rüber in den Park, musste mich dann wieder hinten anstellen.“
Déjà-vu
Hannes wird nun von einem Déjà-vu heimgesucht: „Scheiße! Ich brauch einen Rasierschaum, aber beim BIPA ist der drei Cent teurer als auf Amazon, ich bin ja kein Trottel und latsch in der Kälte da zwei Straßen runter zu dem rosa Halsabschneiderbetrieb.“ Hannes gibt auf Amazon seine Bestellung auf. Sohn Lukas verabschiedet sich mit Tränen in den Augen. „Mach’s gut Papa, ich werde dich nie vergessen.“
Lassen Sie sich täglich über neue Artikel informieren.
8 Jahre? Lächerlich…
Ich hänge seit 1995 in der Warteschleife der Konsum-Hotline und noch immer meldet sich keiner. Das sollte sich der Konsumentenschutz mal ansehen, so ein mieser Service
ein geöffnetes Amazon-Paket mit dem Buch „Jede Sekunde zählt – Zeitmanagement für Profis“
👍🏻🤪
Nur 8 Jahre?
Da hat er wohl auf einem Postamt gewartet, das die Post bereits wegen zu geringer Auslastung auflassen wollte, wie jenes am Liesinger Platz.
Pölzl, Synonym für Horror. Leider nicht zum Lachen…