AUF1.TV: Das Geschäft mit dem Amoklauf


Tweet von AUF1

Der Amoklauf in Graz mit zehn Toten schockiert ganz Österreich. Ganz Österreich? Nein: ein Medium aus Oberösterreich missbraucht die Tragödie, um Klicks und Spenden mit dem Leid von Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften und den Angehörigen zu generieren.

„Den Menschen eine verlässliche Informationsquelle zu sein und die Gutgesinnten zu verbinden. Das hat sich AUF1 zur Aufgabe gemacht“ – so beschreibt sich das Medium selbst auf seiner Website.

AUF1 richtet sich an alle, denen Telegram einfach zu seriös ist, und hat auf sozialen Medien bereits mehrere 100.000 Follower. Seit Jahren prognostiziert das von der FPÖ hofierte Medium Millionen Impftote und den Great Reset, der jetzt aber wirklich jeden Moment eintreten wird.

Eigentlich würden wir AUF1 gern vorwerfen, dass sie mit den Ängsten ihrer Fans zynisch Kasse machen. Aber die Verzweiflung, mit der Magnet & Co. täglich um Spenden betteln, wirkt eher so, als würde nicht einmal der Rubel rollen – maximal ein paar traurige Reichspfennige.

Geleitet wird das Medium von Stefan Magnet. Der Mann, der so klingt wie ein Tom-Turbo-Bösewicht, ist ein oberösterreichischer Incel aus dem rechtsextremen Milieu. Magnet veröffentlichte bereits Bücher, in denen er vor Gedankenkontrolle durch Elektroden, Zuchtcyborgs und Genspritzen warnte. 

Stefan Magnet

AUF1 wird von der FPÖ hofiert. Als Herbert Kickl die Nationalratswahl 2024 gewinnt, gibt er dort sein erstes Interview. Hier muss er sich kritischen Fragen stellen wie „Hat sich die FPÖ mit diesem Ergebnis als die wahre Volkspartei herausgestellt?“. Auch Walter Rosenkranz gibt dem Medium nach seiner Wahl zum Präsidenten des Nationalrats ein Interview

Wie sein Nachname suggeriert, zieht AUF1-Chefredakteur Magnet Kontroversen förmlich an, ist aber gleichzeitig so abstoßend wie derzeit kein anderer österreichischer Medienmacher – im Land der Fellners und Dichands eine außergewöhnliche Leistung, die es anzuerkennen gilt.

Klicks mit Leid

Gestern entdeckte AUF1 ein neues Steckenpferd für sich: Klicks mit dem Leid von Kindern generieren. Was ist passiert?

Am 10. Juni, kurz nach 10 Uhr, kursieren erste Meldungen über Schüsse in einer Schule in Graz. Die Polizei Steiermark bittet eindringlich: „Veröffentlichen Sie keine Bilder oder Videos vom Einsatz in den Sozialen Netzwerken!“

Doch das hindert AUF1 nicht daran, das Leid der Grazer Schülerinnen und Schüler für die eigene Reichweite auszuschlachten. AUF1 inszeniert zerstörte Menschenleben und immerwährende Traumata zu einer reißerischen Live-Show um. 

11:13 Uhr

Etwa eine Stunde nach Beginn des Polizeieinsatzes wartet AUF1 mit einer exklusiven Meldung auf: Stolz verkündet die Redaktion, sie habe ein schwer geschocktes, weinendes Mädchen offenbar telefonisch interviewt.

Das Geschäft mit dem Leid kennt nicht einmal den letzten Rest an Anstand. Ob AUF1 das Mädchen vielleicht auch noch bat, doch wieder in die Klasse zu laufen, um Fotos des Schützen zu schießen, wissen wir nicht, zuzutrauen ist es Magnet jedoch.

11:33 Uhr

Die Aufnahmen von Schülerinnen, die während der Evakuierung um ihr Leben laufen, werden von der Redaktion mit dramatischer Musik unterlegt, als wäre es ein harmloser Hollywood-Trailer. Im Video sind zwei Schülerinnen anhand ihrer Kleidung eindeutig identifizierbar – sie haben Schadensersatzansprüche gegen AUF1 nach §7a Mediengesetz.

"Dramatische Szenen: Unter dem Schutz schwer bewaffneter Polizeikräfte wurden die Schüler aus ihren Klassenzimmern und der Schule evakuiert. Die Polizei hat inzwischen Entwarnung gegeben. Eltern dürfen nun zu ihren Kindern."

11:48 Uhr

AUF1 postet ein Video aus einem Klassenzimmer. Zu hören sind Schüsse. 

"Schockierend! AUF1 hat soeben ein exklusives Video erhalten, in dem die Schüsse in der Grazer Schule zu hören sind. Das Video wurde in einem Klassenzimmer des BORG gefilmt."

12:21 Uhr

AUF1 zeigt ein Video mit den abgedeckten Leichen der Opfer, von der AUF1-Redaktion
unterlegt mit trauriger Musik. Follower keilen mit dem Tod junger Menschen – ein neuer
Tiefpunkt im an Tiefpunkten nicht armen Leben des Stefan Magnet. Der Medienmacher rechnet es sich durch: Nur drei Amokläufe in Kindergärten, und sein Medium ist finanziell gerettet!

"Ein weiteres an AUF1 zugespieltes Video zeigt die erschütternden Szenen des Amoklaufs. Schüler filmten aufgereihte Rettungstragen, auf denen sich laut ihren Angaben teilweise auch Todesopfer des Schulmassakers befinden."

„Folgt uns für mehr!“, wirbt das Medium jedes Mal plump unter den Aufnahmen. Ein Link zum hauseigenen Telegram-Kanal, in dem man Werbung schaltet und in dem die Videos ebenfalls geteilt wurden, darf natürlich unter keinem Post fehlen. 

AUF1 reklamiert für sich, die Videos exklusiv erhalten zu haben. Diese sind bis jetzt online abrufbar. Ausgehend von AUF1 finden die Videos schließlich ihren Weg ins Internet und werden von Medien wie Krone, Oe24.at oder Bild zum Teil übernommen. Die Opfer des Amoklaufs wurden für ein paar Klicks der digitalen Sensationslust ausgeliefert.

Resümee 

Stefan Magnet hat es geschafft: seine pseudo-journalistischen Ausscheidungen gehen erstmals um die Welt. Der mediale Amokläufer hat mit seiner Berichterstattung seine unverkennbare Handschrift in einem Ereignis von nationaler Tragweite hinterlassen.

Am Abend des 10. Juni richtet sich Magnet in einem 52-minütigen Monolog an seine Zuseher und verkündet ohne jede Ironie: „Dieser Amoklauf wird wieder ausgenützt werden auf dem Rücken der Opfer.“ Stimmt, Stefan, ausnahmsweise hast du recht – selten hat jemand so präzise die eigene Geschäftsstrategie beschrieben.

Ob das für ihn Konsequenzen hat, muss sich noch zeigen: Die Tagespresse hat eine Sachverhaltsdarstellung an die Medienaufsichtsbehörde RTR übermittelt, mit der Anregung, die Veröffentlichungen auf Einhaltung des „Audiovisuelle Mediendienste“-Gesetzes zu prüfen. Bei Verstößen, etwa wenn die Menschenwürde von Verbrechensopfern verletzt wurde, droht eine Geldstrafe im fünfstelligen Bereich.

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